12 Die Macht der Industrie

Die Industriellen waren die Herren der Gemeinde. Was sie wollten, wurde meist umgesetzt. Sie gaben den meisten Einwohnern Arbeit und zahlten am meisten Steuern. Sie machten die Gemeinde wohlhabend. Sie besassen mit Abstand das meiste Vermögen. Einige von Ihnen ragten heraus: 

Heinrich Kunz
Heinrich Kunz um 1830
(Quelle: Fotosammlung Stadtarchiv & Kläui Bibliothek Uster)

Als erstes sei hier Heinrich Kunz (1793-1859), der später auch «Spinnerkönig» gerufen wurde, genannt. In Uster gründete er zwei Betriebe und eine weitere im Aathal. Er stieg einerseits zum erfolgreichsten Unternehmer seiner Zeit auf, war andererseits aber auch der skrupelloseste im Umgang mit seinen Arbeitern. Er blieb ledig und hatte daher keine ehelichen Kinder. Er scheute keinen Ärger und führte viele Prozesse, die er zwar häufig auch gewann, dabei aber nie Sympathien hinzugewinnen konnte. Ab etwa 1850 nahm seine Energie spürbar ab. Vermutlich auf Grund von Depressionen kümmerte er sich kaum mehr ums Geschäft und liess die Zügel schleifen, was in einen gross aufgezogenen Garndiebstahl in seinen Fabriken mündete. Auch seine Innovationskraft liess spürbar nach: Er war der einzige Grossindustrielle in Uster, der sich 1852 nicht an einem Aufruf für einen Zugang zur Eisenbahn beteiligte. 1859 starb er verlassen im Schloss Greifensee, das ihm gehörte.

 

Die Zangger-Dynastie

Selbstprotrait Grunholzer
Selbstportrait von Heinrich Grunholzer
(Quelle: Stadtarchiv & Kläui Bibliothek Uster,
Nachlass Familie Heinrich Grunholzer,
PA042, A.7.8)

Die mächtigste Ustermer Spinnereidynastie gründete Hans Heinrich Zangger (1792-1869) aus Nossikon, der  ab 1824 in Uster insgesamt drei Fabriken errichtete (1836 die zweite und 1868 die dritte, die erste von 1824 wurde um 1868 eingestellt und in ein Wohnhaus umgebaut). Hans Heinrich Zangger gab sein Imperium an seine Schwiegersöhne Johann Caspar Gujer (1821-1891) und Heinrich Grunholzer (1819-1873) weiter. Seine Machtbasis war das Wohnhaus der Familie an der Zürichstrasse 1. Julius Gujer (1855-1940) – Zanggers Erbe –  war es, der der Gemeinde Uster 1897 die Dorfbadi zu bauen ermöglichte. Zangger war einer der führenden Förderer einer Eisenbahnstrecke von Uster nach Wallisellen, um Anschluss an die Nordostbahn zu erhalten. Gleichzeitig galten er und seine Nachfolger im Umgang mit ihrer Arbeiterschaft als vergleichsweise fair. Hans Heinrich Zangger und sein Enkel Julius Gujer, waren beide Kantonsräte und versuchten, Verbesserungen für die arbeitenden Kinder zu erreichen. Erst mit dem Verkauf der Firma Julius Gujer & Cie. im Jahr 1916 endete das Baumwollgeschäft der Dynastie Zangger.

Internierung der Bourbaki Soldaten
Die Industrie und deren Patrone ermöglichten es schliesslich auch, dass Uster zwischen Februar und März 1871 ohne grosse Probleme über 1000 frierende und hungernde französische Soldaten aufnehmen konnte. Ohne die Eisenbahn wäre es der Schweiz in jenem kalten Winter während dem Deutsch-französischen Krieg unmöglich gewesen, die im Jura über die Schweizer Grenze geflohene französische Armee des Generals Bourbaki zu internieren. Innerhalb von zwei Tagen wurden die Männer nach Uster gefahren und in der leerstehenden dritten Fabrik des Ustermer Fabrikanten Heinrich Zangger untergebracht – dort wo 100 Jahre später das Uschter77 eröffnet werden würde. (Zum Thema ist im Januar 2023 ein Heimatspiegel erschienen: «Vive Uster! Vive la Suisse!»)

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